„Seid ihr schon los?“ Nach der Tour auf den Gletscher hatten mir Anita und Gori Bilder vom Truso-Tal gezeigt, wo sie am nächsten Tag hin wollten. Da das Wetter in dieser Ecke immer noch gut gemeldet ist, in Svanetien aber nicht, entscheide ich die Gelegenheit zu nutzen.
Das Truso-Tal ist etwas abseits von der alten Heerstraße gelegen und endet im besetzten Teil Südossetiens. Gori muss mit dem normalen Mietwagen über Schotter-Pisten und Schlaglöcher, bis wir an einen Parkplatz kommen. Auf dem Weg dorthin nehmen wir noch ein Deutsches Pärchen mit, die ihr Auto an der Heerstraße abgestellt haben – nicht ganz unvernünftig. Zu fünft ging es also los.
Eine kreative Idee des Upcyclings liegt vor uns, bevor wir durch eine enge Schlucht laufen. Ein alter Auflieger,vermutlich zum Transport von Baggern, überspannt die Truso, natürlich ohne Brückengeländer.
Nach einem guten Fußmarsch mit Blick auf ein kleines Stein-Sägewerk, über eine Brücke aus Rohren und an einer kleinen Andachtstelle vorbei weitet sich das Tal nach rechts. Vor uns liegen weiß schimmernde Flächen wie Eisfelder, wofür es hier unten aber viel zu warm ist. Auf der anderen Seite des Flusses, etwas versteckt unter jungen Birken, entsteht gerade ein neuer Campingplatz mit Café und kleinen Hütten; die Farben lassen sehr an Skandinavien erinnern. Und passen doch so gut hier her. Denn nicht nur die weißen Ablagerungen, sondern auch andere Minerale und Gräser geben dem Tal seinen bunten und besonderen Charakter.
Hinter dem Wäldchen geht eine Treppe aus alten Autoreifen nach oben zum Wanderweg, der uns zu den Mineralquellen führt. Im tiefblauen See sprudelt Schwefelhaltiges, kaltes Wasser nach oben. Nebendran kommt Wasser aus kleinen Löchern, das einen roten Bach bildet. Die Steine sind mit einer dünnen, weichen Schicht überdeckt, die vom Eisen rot eingefärbt ist. Das Wasser aus dem See schmeckt stark eisenhaltig und hinterlässt ein Kribbeln auf der Zunge. Gleichzeitig schmeckt es im Nachgang aber auch wie es riecht – leicht nach faulen Eiern. Der See und die Quellen sind umringt von anderen Wanderern, die hier ebenfalls eine kleine Pause machen wollen.
Nach einer kurzen Rast geht es also weiter das Tal Richtung Süd-Ossetien, einer autonomen Region, um die sich Georgien und Russland schon seit Jahren streiten. Ein Betreten der Region ist nur nach vorheriger Anmeldung möglich. Hier sind keine Touristen mehr – fast keine. 2 junge Deutsche treffen wir, die genau dort hinwollen, sie haben sich in Tiflis eine Genehmigung geholt. Dort muss es wirklich einsam sein.
Vorbei an einem alten Turm kommen wir in Richtung einer Brücke. Eine alte Hirtin kümmert sich hier gerade um ihre Tiere, ich mich um meine Fotos. Ich bin total begeistert und will gar nicht aufhören, da bietet uns die Hirtin einen Tee in Ihrer Jurte aus Stahlgestänge und blauen Kunststoffplanen an. Sie versteht uns kaum, und umgekehrt. Aber sie scheint aus Aserbaidschan zu kommen und den Sommer hier im Tal zu verbringen. Sie wirkt mit sich und der Welt, in der sie lebt, sehr zufrieden und strahlt eine unglaubliche Ruhe und Freude aus. Sie gibt uns richtig leckeres Essen, bietet uns Hühner zum Mitnehmen an und stellt sich immer wieder bereitwillig meinem Fotowahn. Als wir Ihr Geld geben für die Verköstigung und die wirklich spezielle Begegnung möchte sie gleich, dass wir bei Ihr übernachten. Wir waren großzügig, aber möchten dann auch weiter, ohne ein Huhn mitzunehmen.
Ein Stück noch Richtung Grenzposten, vorbei an einem Kloster, das mit großer Hingabe bewirtschaftet und saniert wird, bis es uns zu spät wird. Anita ist schon ein Stück zurückgelaufen, wir haben uns am Café verabredet. Als auch wir, von Israelis ein Stück mitgenommen, ankommen, ist von Anita keine Spur. Die Betreiber sprechen nur russisch, und so brauchen wir noch die Hilfe der Israelin, bis die Betreiber anbieten, Anita anzurufen. Es gibt also doch Empfang – und Anita ist schon auf dem Heimweg. Ihre SMS an mich kam nie an.
Ein weiterer, wunderschöner Tag in diesem so farbenfrohen Land, das sich dank der vielen Mineralien nicht vor der isländischen Farbwelt verstecken muss. Der Kaukasus bezirzt mit seiner Vielfalt, und in unmittelbarer Nähe zu den anderen beiden Wanderungen ist doch jeder Ort kaum dem anderen gleichzusetzen. Viel Landschaft auf wenig Raum.






















22.09.2018